SCHULDEN UND DIE KLIMAKRISE
Es bestehen drei direkte Zusammenhänge zwischen der Klimakrise und der Verschuldung weiter Teile des globalen Südens:
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Zur Bedienung ihrere Schulden werden viele rohstoffreiche Länder des globalen Südens gezwungen, ihre fossilen Bodenschätze auszubeuten. Die Vergabe von Extraktionskonzessionen an ausländische Konzerne ist ein direkter Weg, über den verschuldete Länder an die Fremdwährungen gelangen, in denen sie ihre Schulden abbezahlen müssen.
In unserem Factsheet stellen wir die konkrete Fälle vor, in denen Länder des Globalen Südens zur Abbezahlung von Schulden in die fossile Extraktion gezwungen wurden. -
Eine hohe Schuldenlast raubt vielen Ländern des Globalen Südens den Spielraum für die Finanzierung einer grünen Transition hin zu einer erneuerbaren Energieversorgung. Hohe Schuldenstände blockieren sowohl die Mittel für einen staatlich gelenkten und gerechten Übergang als auch den Zugang zu privatem Kapital über die globalen Finanzmärkte.
In einem aktuellen Paper, das von Debt for Climate co-publiziert wurde, zeigen wir detailiert auf, wie Schulden einer gerechten Transition für viele Länder des globalen Südens im Weg stehen. -
Klima- und Schuldenvulnerabilität sind interdependent. Der Mangel an ausreichender Klimafinanizerung zwingt viele klimavulnerable Länder nach Extremwetterereignissen zur unmittelbaren Bewältigung von Schäden und Verlusten Schulden bei ausländischen Gläubigern aufzunehmen. Die finanziellen Mittel, die für den Schulddienst in den folgenden Jahren abfliesst, fehlen für den Aufbau einer klimaresilienten Infrastruktur. Damit werden die von der Klimakrise stark betroffene Länder langfristig noch vulnerabler für die Auswirkungen der Klimakrise gemacht - was zur Folge hat, dass sie für die zukünftige Aufnahme von Krediten höhere Zinsen bezahlen müssen, um damit schliesslich ebenfalls anfälliger für Überschuldung zu werden.
Das Europäische Netzwerk für Schulden und Entwicklung (EURODAD) zeigt die Mechanismen von Klimavulnerabilität und Überschuldung hier detailiert auf.
Schulden und (Neo-)Kolonialismus
Über Jahrhunderten haben mächtige Regierungen, Institutionen und Unternehmen Schulden dazu benutzt, die Ressourcen der Länder des globalen Südens zu kontrollieren und zu ihrem eigenen Vorteil zu auszubeuten.
In Diskussionen über die Verschuldung des globalen Südens wird dies jedoch oft ausgeblendet. Stattdessen wird das Problem immer wieder bestenfalls als technisch oder schlimmstenfalls als Schuld der korrupten und ineffizienten Regierungen des globalen Südens dargestellt.
Aber diese Erzählungen greifen zu kurz! Sie unterschlagen die zentrale Rolle des Kolonialismus für die initiale Verschuldung des globalen Südens und verschweigen, dass auch die heutige Überschuldung des globalen Südens das Resultat einer ungleichen globalen Finanzarchitektur ist, die grundlegend auf den Vorteil von reichen Ländern ausgericht ist.
Verschuldung ist ein Mechanismus, der es den ehemaligen Kolonialmächte aus dem globalen Norden erlaubt, auch nach der formalen Unabhängigkeit ihrer Kolonien auf Arbeit und Rohstoffe aus dem globalen Süden zuzugreifen, ohne (angemessen) dafür zu bezahlen.
In der Geschichte gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass Schulden als Mittel gegen Gemeinschaften und Länder eingesetzt werden, angefangen bei Thomas Jefferson, der im 19. Jahrhundert Schulden nutzte, um amerikanische Indigene Nationen zu zwingen, ihr Land zu verkaufen, bis hin zu Frankreich, das in den frühen 1900er Jahren Schulden einsetzte, um Marokko zu kolonisieren.
Im ausführlichen Briefing von Debt Justice UK erfährst detailiert und an einer Reihe von konkreten Beispielen mehr über die kolonialen Wurzeln der Schulden des globalen Südens und wie diese im Zuge neokolonialer Wirtschaftsstrukturen bis heute aufrecht erhalten werden.
HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN
Warum sind die Schulden unrechtmäßig?
Vor dem Hintergrund der historischen und andauernden Extraktion fossiler Rohstoffe, der Zerstörung von Lebensräumen durch die Ausbeutung lokaler Ökosysteme, die mit der Befriedigung der Schuldenforderung einhergehen, und der neokolonialen strukturellen Ungleichheiten in der globalen Finanzarchitektur (Verluste durch höhere Zinskosten im Zuge unfairer Kreditraitings, ungleicher Zugang zu Kapitalmärkten, Augezwungene Verschuldung zur Bewältigung von externalen Shocks, für die der globale Norden überwiegend die Verantwortung trägt [Klimakrise], kolonialverwurzelte und aufrechterhaltene Export-/Importabhängigkeiten und damit verbundener Tranfer von Wert), die den Globalen Süden systematisch in die Verschuldung treiben sowie Schulden, die ganz direkt auf die Kolonialzeit zurückgehen respektive deren Übernahme als Konditionalität unabhängig werdender Staaten aufgezwungen wurden, sind die finanzielllen Ansprüche aus dem globalen Norden illegitim.
Vielmehr sind es die heutigen Gläubiger, auf die wir mit unserer Forderung abzielen - multilaterale Gläubiger wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank sowie private und öffentliche Gläubiger aus dem Globalen Norden, reiche Länder wie die Schweiz und mulitnationale Konzerne wie Glencore -, die im Zuge ihrer historischen Überemissionen und der Ausbeutung von Menschen und Lebensräumen im Globalen Süden verschuldet sind - sie haben eine Klima- und neokoloniale Schuld.
Wie profitieren die Gläubiger von den Schulden des Globalen Südens?
Vor allem private Gläubiger - die den größten Teil der Schulden des Südens halten - verdienen mit den Schulden von Ländern des Globalen Südens viel Geld, da die Zinsen auf die Schulden höher sind als die Zinsen im Norden. Außerdem, und vor allem, wenn ein Land hoch verschuldet ist, erlauben diese Schulden den Gläubigern ärmeren Regierungen ihr wirtschaftspolitisches Handeln vorzuschreiben.
Meistens äußert sich das in Investitionsschutz, schwachen Arbeitsgesetzen, grenzenlosen Sicherheitsausgaben, Kommodifizierung der Natur - und, wenn mit dem Ausfall des Schuldendienst die Zahlungsfähigkeit systemrelevanter Banken des globalen Nordens auf dem Spiel stehen, sogar in einer geopolitischen Ausrichtung auf den Gläubiger.
Die Weltbank und andere Entwicklungsbanken versprechen seit Jahrzehnten, dass die von ihnen vergebenen Schulden es ärmeren Ländern ermöglichen würden, Wohlstand zu erlangen, insbesondere indem sie den Handel des Südens mit dem Norden ankurbeln. Doch solange die reicheren Regierungen, Unternehmen und Menschen nicht viel mehr für das zahlen, was sie den ärmeren Ländern wegnehmen, ermöglichen die Schulden des Südens eine weitere Ausbeutung zu Gunsten des Nordens und keine Machtverschiebung.
In diesem Sinne ist die Verschuldung auch eine bequeme Art für reiche Nationen, über ihre Beziehung zu verarmten Nationen zu sprechen: Mit Schulden gäben sie Geld, das Entwicklung ermöglicht. In Wahrheit verbergen sie auf diese Weise jedoch, dass sie mit ihren Forderung fossile Extraktion und soziale Ausbeutung befeuern und sie sich damit weitere Klima- und neokolonialen Schulden gegenüber dem Süden anhäufen.
Warum und wie blockieren Regierungen aus dem Globalen Norden eine Schuldenstreichung?
Weil sie nicht wollen, dass ihr Geld - und das der in ihren Ländern ansässigen Investoren - abfliesst. Weil sie unbedingt zu ihrer Zinsrendite kommen wollen. Weil sie ihre Kredite nutzen wollen, um die Politik anderer Regierungen zu beeinflussen. Und weil sie keinen in ihren Augen gefährlichen Präzedenzfall schaffen wollen, mit dem die Schuldenstreichung von morgen weitere Schuldenstreichungen von übermorgen rechtfertigen könnte.
Mit anderen Worten: Sie sehen in der Schuldenstreichung einen Verlust ihrer eigenen politischen Macht. Doch das ist nicht unbedingt richtig! Eine Schuldenstreichung könnte ihnen den Respekt des globalen Südens verschaffen, den sie heute aufgrund ihrer extraktiven Politik gegenüber ärmeren Ländern nicht haben.
Heute blockieren die Regierungen des globalen Nordens eine umfassende Schuldenstreichung auf drei Arten: Erstens erlassen sie nicht die Schulden, die sie direkt bilateral halten. Sie stimmen auch gegen eine Schuldenstreichung in den multilateralen Entwicklungsbanken wie dem IWF und der Weltbank. Außerdem üben sie keinen Druck auf die privaten Investoren ihres Landes aus, dies zu tun.
Debt for Climate ist hier, um das zu ändern.
Wie sieht die neokoloniale Ausbeutung durch Schulden konkret aus?
Das Prinzip der Schuldenausbeutung ist einfach: Eine reiche Gruppe - eine öffentliche Bank, ein Investor, die Weltbank usw. - bietet einer ärmeren Gruppe - z. B. einer Regierung des Globalen Südens - einen Kredit an. Letztere nimmt das Angebot an, denn "etwas Geld ist mehr als nichts", und mit dem Geld akzeptiert sie auch die Bedingungen, die mit dieser Schuld einhergehen.
Dazu gehört natürlich die Rückzahlung der Schulden zu höheren Zinssätzen als bei den Schuldnern im Globalen Norden. Oftmals ist das aber nur der Anfang der Geschichte, denn viele Schuldner verpflichten sich gleichzeitig zur Implementierung bestimmter politischer Massnahmen, so bspw. der Senkung von Subventionen, der Kürzung von Löhnen, der Schwächung des Sozialschutzes und der Erhöhung regressiver Steuern wie der Konsumsteuer.
Gläubiger wie die Weltbank stellen diese Politiken als attraktiv für ausländische Investoren dar - was auch stimmt. Allerdings ist diese Attraktivität gleichbedeutend mit Nachteilen für die verschuldete Bevölkerung.
Im Tschad zum Beispiel hat die Weltbank mit Exxon, Chevron und Petronas und der Regierung beim Bau einer Pipeline zusammengearbeitet, die das Binnenland Mali mit einem Hafen in Kamerun verbindet. Die Pipeline konnte durch den Kredit gebaut werden und spült den beteiligten Konzernen viel Geld ein, die Menschen im Tschad haben jedoch nichts davon außer höheren Schulden und damit verbundene Kürzungen von Sozialausgaben im Zuge von Sparmassnahmen.
Ihr Präsident, der von Anfang an für seine Korruption bekannt war, und die Ölgesellschaften kassierten und kassieren sämtliche Einkünfte. Im Jahr 2022 weigerten sich die Gläubiger des Tschads, die diese und andere Förderaktivitäten vorangetrieben haben, der Regierung die Schulden zu erlassen. Die Rückzahlung der Schulden bedeutet jedoch, dass die Menschen im Tschad weiter zu Niedriglöhnen arbeiten müssen und dass die Ausbeutung ihrer Ressourcen weitergehen muss.
In diesem Sinne hat Thomas Sankara, der Präsident von Burkina Faso, kurz vor seiner Ermordung im Jahr 1987 in seinem Aufruf zu einer gemeinsamen Schuldenstreichung darauf hingewiesen, dass "Schulden ein Instrument sind, das es der reichen Welt ermöglicht hat, sich zu entwickeln und die Ressourcen des globalen Südens zu nutzen, ohne einen angemessenen Preis dafür zu zahlen".
Ist Schuldenstreichung überhaupt möglich?
Jeder Gläubiger kann die Schulden oder einen Teil der Schulden, die er besitzt, durch einen einfachen Vertrag streichen. Ein Beispiel ist das Abkommen über die deutschen Auslandsschulden von 1953, mit dem mehrere Gläubigerregierungen einen wichtigen Teil der deutschen Schulden erlassen haben: Es handelt sich um ein unterschriebenes Stück Papier, das den Gläubiger, den Schuldner und die zu erlassende Schuld nennt.
Schulden von Privatpersonen und Unternehmen können auf dieselbe Weise gestrichen werden. Auch wenn sich die Details je nach nationalem Recht oder der internationalen Praxis der Regierungen ändern, sind die Grundlagen die gleichen. Es geht also eher darum, ob ein Gläubiger kündigen will, und nicht darum, ob er es kann.
Was wären die Auswirkungen einer Schuldenstreichung für den globalen Norden?
Eine Schuldenstreichung betrifft vor allem diejenigen, die diese Schulden im Norden halten, d.h. Banken, Investoren - sie halten etwa zwei Drittel der Schulden - und Regierungen - sie halten etwa einen Drittel. Diese würden einen Teil ihres Besitzes verlieren, ihre Existenz wäre aber nicht gefährdet (im Gegensatz zur gegenwärtigen Situation, die bereits die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen beeinträchtigt).
Die Menschen im Norden, die keine Forderungen halten, und das ist die Mehrheit, würden nichts spüren. Ein etwas anderes Szenario ergibt sich für Länder mit großen und anlageorientierten Pensionsfonds wie die USA, Norwegen und Australien - einige dieser Pensionsfonds halten Schulden des Globalen Südens, und ihre derzeitigen und künftigen Rentner wären daher von einer Schuldenstreichung betroffen.
In diesem Fall wäre es an den Regierungen des globalen Nordens zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um ärmere Menschen vor den negativen Auswirkungen zu schützen.
Einige mögen argumentieren, dass eine Schuldenstreichung in großem Umfang die allgemeine wirtschaftliche Dynamik des Nordens beeinträchtigt, aber diese Ansicht beruht auf der falschen Annahme, dass Kredite die Wirtschaft antreiben würden und es nicht Arbeit und Klima tun.
Wieso fordert Debt for Climate keine Debt Climate Swaps?
Ein Debt Swap ist ein Tausch von Schulden des Globalen Südens gegen die Zusage, Land und Ozeane zu schützen, um die biologische Vielfalt zu erhalten oder die Treibhausgasemissionen zu senken. Oft sind es große Nichtregierungsorganisationen wie The Nature Conservancy oder der WWF, die das Geld einbringen und auf die Swap-Verträge hinwirken.
Diese Verträge werden meist geheim gehalten, und selbst dann, wenn sie sich konkret auf die Menschen auswirken, die in der "zu schützenden" Region leben, lassen sie keine Mitsprache zu. Sobald die Verträge unterzeichnet sind, erhalten die Regierungen des Globalen Südens einen Teil ihrer Auslandsschulden erlassen und müssen das freiwerdende Geld entsprechend ihrer Zusage ausgeben.
Einige NGOs werben seit den 1980er Jahren für den Tausch von Schulden gegen Natur-/Klimaschutzmassnahmen. Sie haben nie versucht, das System zu ändern, sondern wollten lediglich das schlechte Gewissen reicher Umweltschützer und ihre eigenen Taschen befriedigen und ein Mitspracherecht bei der Kontrolle über die "schöne Natur des globalen Südens" gewinnen.
Debt Swaps bekräftigen nicht nur eine falsche Legitimität der Schulden des Globalen Südens, sondern ihre Bedingungen werden auch von NGOs, Investoren, dem IWF/der Weltbank und reichen Regierungen diktiert und sind daher höchst undemokratisch.
Wir fordern eine Schuldenstreichung, die einen von den Menschen geführten, demokratischen Umbruch ermöglicht, und lehnen jede Vereinbarung ab, die die Bevölkerung um ihre Zustimmung bringt.
WEBINARE
Debt for Climate organisiert regelmässig Webinare mit führenden Wissenschaftlerinnen, Intelektuellen und Vertreterinnen einschlägiger sozialer Bewegungen. Die Webinare beleuchten Schulden und ihre problematischen Auswirkungen aus unterschiedlichen Perspektiven:
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Feministische Bewegungen im Kampf gegen Schulden und die Klimakrise
Frauen stehen im Kreuzfeuer der sich vervielfältigenden und überschneidenden Krisen der Verschuldung, des Klimawandels und des ökologischen Zusammenbruchs. Wie überschneiden sich Schulden, Patriarchat, Kapitalismus und Kolonialismus? Wie haben feministische Bewegungen den Widerstand organisiert?
Im Mittelpunkt dieses internationalen Webinar stehen Beiträge von feministischen Bewegungen, die die auf eine lange Geschichte des Kampfes gegen die Verschuldung zurückschauen. -
Schulden aus Sicht der politischen Ökonomie
In diesem Webinar diskutieren Fadhel Kaboub und Ndongo Samba Sylla, zwei führende Wirtschaftswissenschaftler und Experten für Finanzkolonialismus sowie Esteban Servat, argentinischer Aktivist und Mitinitiator der Debt for Climate-Bewegung, über die konkreten Auswirkungen einer Schuldenstreichung. Dabei werden die folgenden Fragen dsikutiert: Wie kam es zur Verschuldung des Globalen Südens, und warum ist diese Verschuldung illegitim? Was ist der Unterschied zwischen Schulden in einer Fremdwährung und in der eigenen Währung eines Landes? Welche Möglichkeiten würde eine Schuldenstreichung den Ländern des Südens bieten - und was würde er für die Gläubiger im Norden bedeuten? -
70 Jahre seit der Schuldenstreichung für Deutschland - Doch was ist mit dem globalen Süden?
In diesem Webinar sprechen der argentinische Wissenschaftler und "Debt for Climate"-Aktivist Esteban Servat, der international renommierte Anthropologe Jason Hickel und die Politikforscherin Iolanda Fresnillo vom European Network on Debt and Development (EURODAD).
EINE KURZE GESCHICHTE DER SCHULDEN
Jede Geschichte der Schulden muss damit beginnen, dass man anerkennt, dass Gesellschaften sich entscheiden, wie sie mit Schulden umgehen, und dass sie sich die längste Zeit über unterschiedlich entschieden haben. Aber die Geschichte, die uns zur Klimakrise und zum sechsten Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten geführt hat, das aktuel das gesamte Leben auf der Erde bedroht, folgt einer ganz bestimmten Abfolge von Entscheidungen, die von einigen wenigen getroffen und weltweit ausgedehnt wurden.
In jeder Kultur gibt es einen Austausch, und jeder Austausch wird durch ein Gefühl der Fairness und Gegenseitigkeit untermauert. Fairness bedeutet nicht Gleiches für Gleiches. Was fair oder gleich ist, hängt von den Beziehungen zwischen den Menschen, der Situation, der Kultur, der Geschichte und den verfügbaren Materialien und Fähigkeiten ab. Im Moment des Austauschs gibt es Schuld und Kredit: der eine schuldet, dem anderen wird etwas geschuldet.
Die Verteilung der Gaben der Natur ist oft ungerecht, und die Familien mit besserem Land, besserer Gesundheit und mehr Mitgliedern, die arbeiten können, können mehr anhäufen als weniger begünstigte Familien. Wenn die sich daraus ergebende Kluft im Lebensstandard zu sehr zunimmt, führt dies zu Eifersuchtshandlungen, die die Gemeinschaft auseinanderreißen können. Überall haben die Menschen Praktiken entwickelt, um ein Übermaß an Ungleichheit und Gier zu verhindern, das Gemeinschaften bis zur Gewalt treibt. In einigen Kulturen gab es ein All-in-Common-System, in anderen wurde von der Ernte oder den Einkünften jeder Familie eine Steuer an die Götter, einen Herrscher oder die Gesellschaft selbst abgeführt, die dann umverteilt oder für den Bau von öffentlichen Gebäuden, Tempeln oder Palästen verwendet wurde. Vielerorts wurde das Versäumnis, zu teilen oder das entsprechende Opfer zu bringen, für Ungleichgewichte verantwortlich gemacht, die zu schrecklichen Ereignissen führten, die die Gemeinde unweigerlich zerstören würden. Auf die eine oder andere Weise sollte jeder seineihre Schuld gegenüber der Gemeinschaft begleichen.
Kreditvergabe gibt es bereits seit Tausenden von Jahren. Kredite ermöglichten es den Händlern, weite Strecken zurückzulegen, um Käufer für ihre Waren zu finden. Währungen entstanden als eine Form der Verschuldung - jede Münze ist ein Wertversprechen in Bezug auf ein reales Objekt. Dann begannen wohlhabende Privatleute rund um das Mittelmeer mit der Kreditvergabe und verlangten Zinsen - einen zusätzlichen Betrag als Entgelt für die Dienstleistung und das Risiko der Kreditvergabe. Der Geldverleih hat den besonderen Effekt, dass er die Menschen davon abhält, Gleichheit von denen in ihrer Gemeinschaft zu erwarten, die über mehr Vermögen verfügen. Der Geldverleih bürdet denjenigen mit dem geringsten Vermögen die Last auf, Wege zu finden, um ihren Ertrag nicht nur so weit zu steigern, dass sie überleben können - was ihnen vorher schwer fiel -, sondern auch, um den Kredit und die Zinsen an diejenigen zurückzuzahlen, die über einen Überschuss verfügten, den sie ausleihen konnten. Einige Kulturen erkannten, dass dies zu zunehmender Ungleichheit und Ausbeutung der weniger Begünstigten führte, und verboten die Erhebung von Zinsen oder "Wucher", was nach dem Koran immer noch haram ist, andere hingegen nicht.
Die Ungleichheit nahm zu. Die Wohlhabenden kauften besseres Land und fanden Wege, das Ungleichgewicht zu rechtfertigen. In Kriegs- oder Krisenzeiten, wenn Gemeinschaften schnellen Zugang zu Reichtum brauchten, konkurrierten die Reichen um die Rolle des "Beschützers" und wurden mit Ehre, staatlichen Aufträgen und politischem Zugang belohnt, der sie oft noch reicher machte. Dadurch wurde aus dem Wohlstandsgefälle eine Tugend gemacht, und viele gewöhnten sich langsam an die Klassen- und Familienspaltung. Währenddessen konnten andere ihre Schulden nicht bezahlen und wurden zu Schuldsklaven. Mancherorts drohte die Zahl der Schuldsklaven die der "freien" Menschen zu übersteigen, und es bestand die Gefahr einer Revolution. Einige Herrscher erklärten einen Schuldenerlass und verteilten das Land neu. Die sumerischen Herrscher nannten diese Art des Schuldenerlasses Ama-gi - "Rückkehr zur Mutter". In vielen jüdischen Gemeinden und in der Bibel wird dies als "Jubeljahr" bezeichnet. Andere Mächte bekämpften Volksaufstände für einen Schuldenerlass und setzten sich für die weitere Bereicherung einer landbesitzenden Minderheit ein, so auch Julius Cäsar. Die Schuldknechtschaft besteht auch heute noch. So zeigte der Demokratieaktivist Alaa Abd El Fattah auf dass im Jahr 2021 "eine sehr große Zahl" in ägyptischen Gefängnissen wegen Schulden inhaftiert sei.
Die Religionen änderten sich, die Kultur veränderte sich, die Konflikte gingen weiter und das Finanzwesen setzte seinen Aufstieg in Europa fort. Vor etwas mehr als 600 Jahren finanzierten private Gläubiger die Raubzüge in das spätere Südamerika und erwarteten dafür hohe Zinsen - es wurde gescherzt, dass die portugiesischen Schiffe, die nach Brasilien segelten, englischen Gläubigern gehörten - und die Vermögenden entwickelten einen völkermörderischen globalen Markt für die Entführung und den Missbrauch von Menschen als Arbeitssklaven.
Auch die europäischen Regierungen verschuldeten sich mit hohen Zinssätzen, die sie - oft aufgrund von Kriegen - nicht bezahlen konnten. Anstatt Reichtum und Land umzuverteilen, was in Ländern, in denen die wohlhabende Klasse den größten politischen und kulturellen Zugang hatte, nun schwierig war, gründeten die Regierungen Zentralbanken, um ihnen Geld zu leihen. Die Bank of England wurde vor 300 Jahren gegründet, um den englischen Staat nach seinen Kriegen mit Frankreich zu refinanzieren. Das Volk tauschte sein Gold gegen 1,2 Millionen Pfund in Form von Banknoten im Namen von König Wilhelm III. Der König hatte nun 1,2 Millionen Pfund Schulden bei "seinem" Volk - aber er musste sie nicht zurückzahlen, der Wert einer Banknote musste nur stabil bleiben.
Die europäischen Invasoren nahmen die Gesetze der Verschuldung überall mit, wo sie hinkamen. Sie exportierten neue Maschinen, Waffen, Waren und Technologien und verlangten, in ihrer eigenen Währung bezahlt zu werden, was eine doppelte Verschuldung bedeutete, da man etwas gegen Pfund eintauschen musste, um etwas mit Pfund kaufen zu können, und die Nachfrage nach Pfund unterstützte die englische Regierung, indem sie die Währung der Zentralbank stärkte. Heute werden die meisten Staatsschulden immer noch in den Währungen der reichsten Länder beglichen: $, €, £.
Die wachsende Ungleichheit zwischen den Nationen führte dazu, dass die Europäer in der Lage waren, die lokalen Hersteller zu unterbieten. Die "Neue Welt" war ein neuer Markt, der die europäischen Gläubiger und Banken noch mehr anspornte und ihre Bereitschaft zur Kreditvergabe steigerte. Und da alle Kredite in nationalen Währungen vergeben wurden und immer mehr Europäer ihr Vermögen bei Banken anlegten, waren sie mehr an einem Wirtschaftswachstum interessiert, das den Wert ihres Kapitals stabil hielt oder erhöhte. Dies bedeutete, dass neue Märkte und neue Wege zu ihrer Ausbeutung gefunden werden mussten, was zu Instabilität und Konflikten führte, die wiederum mehr Kredite erforderten. Schon bald befand sich Europa im Krieg mit sich selbst und zog auch seine Kolonien mit hinein, was durch das komplizierte Geflecht aus Schulden und Handel finanzielle und menschliche Katastrophen in der ganzen Welt auslöste.
Heute legitimieren und überwachen der IWF und die Weltbank den globalen finanziellen Status quo. Ihre Aufgabe, einen Wirtschaftskrieg zu verhindern, besteht darin, die mächtigen Währungen stabil zu halten, was neue Kredite und ein Wirtschaftswachstum erfordert, das die Entdeckung und Ausbeutung von Märkten und die regelmäßige Rückzahlung von internationalen Schulden und Zinsen voraussetzt. Im Gegensatz zu den reichen Nationen ist es den finanziell ärmeren Ländern untersagt, sich zusammenzuschließen, um Schulden abzulehnen (Nichtbezahlung) oder neue Austauschmöglichkeiten zu schaffen (Kreditvergabe an ihre Nachbarn) - und damit alles, was die Vorherrschaft der europäischen und amerikanischen Märkte und Währungen beeinträchtigen könnte. Verarmte Nationen im globalen Süden sind mit unbezahlbaren Schulden für den Aufbau öffentlicher und privater Infrastrukturen im Dienste globaler Handelsinteressen belastet. Dadurch hat sich in vielen Ländern eine neue Klasse von Privilegierten bereichert, die von dem aktuellen Status quo profitieren und ihn mit allen Mitteln verteidigen. Auf diese Weise fördern Schulden Korruption.
In den letzten 70 Jahren erkannten führende Stimmen des globalen Südens wie Thomas Sankara, dass ihr Land und ihre Menschen in allen Dingen reich waren, mit Ausnahme der Währungen des Nordens, und dass der Grund für diese relative Armut - die Schulden, die sie geerbt hatten - das direkte Ergebnis einer besonderen und gewaltsamen Kolonialgeschichte war. Sie wussten, dass die Forderung, die Staatsschulden mit ausländischer Währung zurückzuzahlen, ein ungerechtes System war, das ihre Kulturen um ihren Reichtum, ihre Selbstbestimmung und ihre Zukunft brachte. Aber nur wenige, die sich zu Wort meldeten, überlebten - Sankara nicht. Die Androhung militärischer Gewalt oder wirtschaftlicher Sanktionen (d.h. Wirtschaftskrieg), unterstützt durch die Aktionen der USA und Europas, hat die Welt in einem scheinbar unzerstörbaren Gefüge internationaler Schulden verflochten, das noch immer die Wohlhabenden belohnt und diejenigen ausbeutet, die am wenigsten haben.
Für die Mehrheit, die sich verschuldet, um zu überleben, werden durch die Rückzahlung von Krediten und Zinsen hart verdiente Löhne an eine Minderheit von Investoren übertragen. Diese reiche Minderheit - "die 1 %" - investiert in Schulden, um mehr Reichtum zu erlangen, und Banken als die Händler von Schulden, sind immer bereit, Kredite zu vergeben.
Es gibt und gab schon immer Alternativen. Kredite können ein dynamisches Instrument zur Erhöhung des Lebensstandards sein, wenn sie innerhalb von Gemeinschaften vergeben werden, die kein Interesse daran haben, ihren Nachbarn den Reichtum zu nehmen, den sie ihnen zurückgeben werden. Stattdessen hat das moderne System der Banken und Vermögensverwalter von nationalem Ausmaß wie Blackrock und Vanguard eine winzige Minderheit bereichert und 54 Nationen in die Verschuldung getrieben - unfähig, ihre Schulden zu bezahlen, aber wirtschaftlich zu gefährlich, um es nicht zu versuchen.
Dieses System und dessen Geschichte sind die Wurzel der Klima- und Umweltkatastrophe.
Ungleiche Schuldenverhältnisse treiben Extraktivismus und Ausbeutung voran. Die moderne globale Schuldenarchitektur und ihr Zwang zum Wirtschaftswachstum zwingen uns auf die Wege der sozialen und ökologischen Krisen. Außerdem ist sie völlig instabil, wie Abstürze und Rezessionen immer wieder zeigen. Aber die heutigen politischen Systeme im globalen Norden sind nicht in der Lage, die von ihnen geschaffenen Gesetze abzuschaffen. In der Zwischenzeit sind die Länder des Globalen Südens gezwungen, neue Kredite aufzunehmen, um sich wieder aufzubauen, nachdem die neuesten Klima-"Bomben" auf einige der ärmsten Gemeinschaften gefallen sind.
Die ehemaligen Imperien, deren Macht auf der Grundlage von Sklaverei, fossilen Brennstoffen, Umweltzerstörung und untragbaren Schulden aufgebaut wurde, schulden dem Globalen Süden eine Klimaschuld.
Wir sollten Gerechtigkeit fordern und nicht auf den Fundamenten der Ungerechtigkeit aufbauen.
Wir sollten fordern, dass die Klimaschulden beglichen werden.
Wir sollten Wiedergutmachung, Umverteilung des Reichtums und Schuldenstreichungen als ersten und notwendigen Schritt fordern, um Klimaschutzmaßnahmen zu ermöglichen.
Dies zu fordern bedeutet, sich der Geschichte zu erinnern und nach Hoffnung zu greifen, weil wir die Geschichte, die wir schreiben wollen, gemeinsam gestalten!